Als dann Ende 85 die Ideenfindung für das 11-Stundenprogramm von DT64 begann, legte ich alles darauf an, meine Vorstellungen zu plazieren. Schon in der Zeit davor, bei STIMME DER DDR-Sendungen, wie „Kontakte-Kontraste“ oder dem Samstagsprogramm von HALLO & DT AUF UKW, nutzte ich verschiedene Gelegenheiten, „meine Musik“ zu spielen. Die erste PAROCKTIKUM-Sendung am 27.3.1986 war dann der Auftakt für ein langsames Herantasten an eine ganz bestimmte HörerInnen-Klientell. Schon nach einem halben Jahr konnte ich aufgrund des deutlichen Feedbacks auch für mich klar erkennen, was diese Sendung sein musste: Informationsquelle und -börse.
So, wie viele Radiosendungen in der DDR ganz andere Aufgaben erfüllten, als das gemeinhin der Fall ist (z.B. DUETT, als Plattenersatz), war das PAROCKTIKUM in der ersten Zeit nicht so sehr ein Musikprogramm, als vielmehr eine Art Minenräumboot. Was bei TREND immer unter dem mehr betrachtenden, wissenschaftlichen Aspekt gewagt wurde, leistete sich das PAROCKTIKUM als moderierte Sendung ohne formales Korsett. Dabei stellte sich sehr schnell heraus, dass neben dem Bedarf nach Musik aus alten Punk-Tagen und den obskuren Hits der Indie-Szene auch ein ganz natürliches Interesse an Musik aus der DDR bestand. Musik, die jenseits von Berluc und Silly nicht nur kein Podium hatte, sondern bisweilen auch strengsten Zensurvorlagen weichen musste. Bis zum Start des PAROCKTIKUM gab es nur spärliche Kontakte des DDR-Radios zu dieser nichtoffiziellen Szene.
Um die Widersprüchlichkeit der laufenden Vorgänge bewerten zu können, muß man wissen, wie kompliziert es ist, z.B. Kassetten und kleine Fanzines herzustellen und zu vertreiben, Auftritte zu organisieren für Bands ohne staatliche Spielerlaubnis; in einem Land, daß an den veralteten Zensurpraktiken der 50er Jahre festhält. Nach wie vor ist die Informationsverbreitung in der DDR Staatsmonopol, autonomer Medienbetrieb auf das Äußerste limitiert. Die Maschen des Netzes der ausführenden Organe sind jedoch groß, da die gesetzlichen Bestimmungen in allen konkreten Fällen von der Realität der Bedürfnisse längst überholt worden sind.
Mario Persch (Expander des Fortschritts), Februar 1988
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